Spontane Katastrophenhilfe – Leute, helft!

Altenburg

Wir finden es toll, dass KollegInnnen aus unserem Team in Anbetracht der aktuellen Katastrophenlage in der Region helfen wollen! Darum unterstützen wir das durch einen Tag Sonderurlaub. Damit möchten auch wir als Unternehmen einen kleinen Beitrag zur schnellen Nothilfe leisten.

Unsere Kollegin Miriam hat sehr spontan ihre Eindrücke und Erfahrungen von ihrem persönlichen Nothilfe-Einsatz in Altenburg beschrieben.

Die Lage vor Ort

Ich war mit einem Trupp von Feuerwehrleuten, NotärztInnen und weiteren Rettungskräften (allesamt in ihrer Freizeit, aber wohlorganisiert dank Connections) in Altenburg bei Altenahr.

Auf dem Hinweg kamen wir schon an verschiedenen Stationen und Sammelpunkten von Feuerwehr, Polizei, THW und etlichen anderen Rettungstrupps vorbei, die vor den äußeren Dörfern stationiert sind. Die Zerstörungen dort waren schon schlimm, aber je weiter man reinkommt, desto übler wird es.

Dann fährt man ins Dorf. Es ist schwer in Worte zu fassen. Bereits heraus getragener Schutt und kaputter Hausrat türmt sich an den Straßenrändern. Man sieht Autos, die auf dem Dach oder übereinander liegen, umgestürzte Wohnwagen, Dinge, die sich in Baumwipfeln verfangen haben.

Und dann die Häuser. Hängen bleibt man an den halben Häusern, bei denen man in aufgerissene Zimmer blicken kann. Manche Häuser gibt es einfach gar nicht mehr. Aber auch die, deren Mauern noch stehen, sehen schwer mitgenommen aus. Sie haben fast alle keine Fensterscheiben oder Türen mehr.

Was nicht von der Flut kaputt gemacht wurde, wird nun zerschlagen, damit die Trümmer aus den Häusern beseitigt werden können. Der dunkle Rand am oberen Rand der Fenster der 2. Etagen zeigt, wie hoch das Wasser hier stand. Oft sieht man ein rotes Kreuz, dass an die Mauer neben den Eingang gesprüht wurde: Mensch verschollen. Ein grüner Haken dabei: Ist wieder aufgetaucht. Angeblich gibt es auch schwarze Zeichen, wenn ein Anwohner nicht lebend gefunden wurde.

Überall ist Schlamm, so dass Straßen nicht mehr erkennbar sind. Dicker Schlamm, teilweise hoch bis an die Knie. Wo er trocknet, muss man in Schrittgeschwindigkeit fahren, da er so sehr staubt. Und er stinkt. Nach Öl, weil überall das Heizöl aus den Häusern gelaufen ist. Es zieht in Mauern, Fundamente und Böden und hinterlässt überall Schlieren. In anderen Orten ist es Fisch, wurde mir erzählt, vom Rhein.

Der Einsatz

Und was machen wir nun eigentlich? Was tut man in so einer totalen Zerstörung? Vornehmlich Menschenketten bilden. Ketten mit Schrott, Ketten mit Eimern voll vor Schlamm nicht erkennbaren Dingen – oder mit reinem Schlamm. Wohin damit? Nachdem wir die meisten Dinge vor das Haus auf einen weiteren Schutthaufen geschafft haben, der sich zum Ende über Kopfhöhe in Metern Länge türmt, schieben wir den Schlamm in den Keller, von dort in die Garage. Der THW leitet Wasser hinein und wir rühren mit Schaufeln, damit der Schlamm sich soweit verdünnt, dass er den Abfluss nicht verstopft. So wird der Schlamm weniger und die Schuttberge werden in den nächsten Tagen von Baggern und LKW zu den Sammelstellen gebracht und dort weiter versorgt werden.

Die Arbeit ist schmutzig und nicht ungefährlich. Der Schlamm ist rutschig und so dick und hoch, dass man nicht sieht, was drunter ist. Man kann auf alles Erdenkliche treten, ohne es vorher zu sehen. Die Trümmer am Straßenrand sind nicht befestigt, überall sind scharfe Kanten, Nägel und Scherben. Immer wieder hört man Sirenen von Rettungswagen, ein Rettungshubschrauber holt irgendwo ein Unfallopfer aus dem Dorf.

Viele Helfende

Immerhin, man ist nicht allein. Immer wieder ziehen Menschen vorbei, die fragen, ob sie helfen können. Privatautos fahren herum und verteilen Kaffee. Die Polizei bringt abgepackte Teilchen vorbei, in der Versorgungsstation ein paar Straßen weiter gibt es Dixieklos und Wasser zum Händewaschen. Es werden Schaufeln, Eimer und Arbeitshandschuhe verteilt.

Arbeitshandschuhe braucht man viele, nach 2 Stunden sind sie so voller Schlamm, dass man sie kaum mehr nutzen kann – dann braucht man neue. Ich lerne den Trick, unter die Arbeitshandschuhe dünne Plastikhandschuhe zu ziehen, das hält das Wasser ab. Alle helfen, alle sind von Kopf bis Fuß voller Matsch.

Irgendwann ist das Haus leer, es ist spät, wir können nicht mehr. Es wird noch ein Bierchen getrunken und gescherzt, die Eindrücke wollen verarbeitet werden. Dann wollen wir uns auf den Weg machen, ziehen die Wechselklamotten an (in den Arbeitssachen will man nicht ins Auto und die Schuhe wiegen Tonnen vom daran klebenden Schlamm). Allerdings dauert es lange, bis wir aus dem Dorf kommen: Wir kennen uns nicht aus, das Navi verweigert jede Auskunft, die meisten Straßen sind zu. Schließlich sind wir auf dem Heimweg. Bis weit vor dem Ort stehen noch Autos von Helfenden am Straßenrand.

Mein Fazit

Lohnt es sich also? Man ist nützlich, wirklich. Aber es ist auch seltsam zu erleben, wie klein die Hilfe ist, die man geben kann, einfach aufgrund der Masse an Arbeit. Unsere Gruppe war zu so vielen Menschen dort – den ganzen Tag zwischen 10, manchmal bis zu 20 würde ich sagen. Und wir haben am Ende gerade mal ein Haus geleert von kaputtem Hausrat und Tonnen von Schlamm.

Und dann ist es ja nicht plötzlich schön: es sieht genauso furchtbar aus wie vorher, nur ist der Schrott, der letzte Woche noch die Habe eines Menschen war, nun VOR dem Haus und nicht mehr drinnen und man kann die Böden betreten ohne bis zu den Knien im stinkenden Schlamm zu versinken. Das ist nicht so befriedigend, wie einem Freund beim Einzug helfen oder so. Und man kriegt grauenvollen Muskelkater, fiese Bilder in den Kopf, Hände und Rücken tun weh und man ist müde.

Aber man erlebt auch, dass man zwar selber nur einen winzigen Beitrag leistet – aber am Ende das Weiterkommen eben aus lauter solchen Mini-Beiträgen besteht. Und so zählt jeder Stunde, jede Hand, jedes Werkzeug.

Leute, helft!

Wichtige Tipps

  • Wasser und Essen mitnehmen
  • Wechselkleidung (auch Schuhe) und Mülltüten für die Arbeitssachen
  • Die Arbeitshose sollte eine Tasche haben, aus der Handy und Schlüssel nicht herausfallen können
  • Wirklich hilfreich: Das Handy in eine Plastiktüte packen und zuklippsen, dann ist es wasserdicht verpackt!
  • Latexhandschuhe unter die Arbeitshandschuhe anziehen
  • Werkzeug (Schaufeln, Brecheisen, Äxte) und Arbeitshandschuhe mitnehmen – aber rechnet damit, dass manches davon abhandenkommen wird!
  • Taschentücher/Desinfektionsmittel/Feuchttücher

Und ganz wichtig: Fahrt nicht einfach alleine los, sondern schließt euch organisierten Gruppen an – dann ist WIRKLICH jede Hand hilfreich! Informiert Euch über entsprechende Koordinationsstellen in der Region.

  • Autorin und Fotos: Miriam Dovermann